Heimkehr der Peking

Die Peking ist ein Frachtsegler aus der Reihe der P-Liner der Reederei Laeisz. Nach ihrem Stapellauf im Jahr 1911 war sie einer der schnellsten Segler der Welt.
1932 wurde sie nach England verkauft und 1947 von dort als Museumsschiff nach New York, wo sie im Laufe der Zeit langsam verrostete und verfiel.
Nach der Jahrtausendwende (2002) entstand eine Initiative, die Peking vor der Verschrottung zu bewahren und sie mit Hilfe von Spendengeldern nach Hamburg zurück zu holen.
2015 endlich wurden vom Bund die noch fehlenden 26 Millionen zugesagt und ab Ende 2016 wurde die Peking für die Überführung nach Hamburg in einem Dockschiff (COMBI DOCK III) vorbereitet, was Gerhard mit großem Interesse verfolgt hat. Er hatte viel über diese Aktivitäten erzählt.

Gerhard hatte vor, bei der Überführung des von ihm so bewunderten Schiffes im Juli 2017 an Bord des Dockschiffes mit dabei zu sein.
Leider konnte er dieses für ihn so großartige Ereignis nicht mehr miterleben.

Im folgenden Youtube-Video eines NDR-Beitrags wird die Überführung sehr schön dargestellt und man kann sich gut vorstellen, wie auch Gerhard ein Teil des Teams hätte sein können. Leider fehlt in der ersten Minute des Videos öfter der Ton. Das Originalvideo ohne Tonprobleme ist in der ARD-Mediathek bis zum bis 28.08.2018 zu finden.

Der Verein Freunde der Viermastbark PEKING e.V. hat eine umfangreiche Website mit allen Infos rund um die Peking.

Open mind, open bridge, open sea

Segeln mit Gerhard Lickfett

Als wir 1992 eine erste Reise auf dem „Star Clipper“, die Jungfernfahrt ab Hamburg buchten, verbarg sich hinter diesem Namen noch nichts. Es waren Orte wie Southhampton, und damit auch die Isle of Wight, wenig angelaufen, und schließlich Lissabon, die lockten. Auch der Kapitän besaß zu dieser Zeit noch nicht den Bekanntheitsgrad, der ihn in späteren Jahren umgab. Doch bald dann verbanden sich für mich mit diesem Schiffsführer untrennbar die „Star Clippers“, und es gehörte ein Gerhard Lickfett dazu, diese Schiffe wie ein Instrument zu spielen, mit einer Leidenschaft, die bei Gerhard erkennbar wachgehalten und belebt wurde durch seine Fahrenszeit auf der „Passat“ und der „Alexander von Humboldt“. Diese eleganten Schiffe verkörperten die Phantasie und den Traum eines neuen Segelns, in den Räumen eher Luxus als Last, und in der Freizügigkeit ihrer Reviere auch die Chance, etwas von der See zu vermitteln. Leicht kann diese Verklarung daher auch zur Verklärung geraten.

Bei der Ausfahrt war der „Star Clipper“ ein neues Schiff, dessen Farbe noch kaum getrocknet war, einiges der Ausrüstung noch nicht ausgepackt oder am Platz gezurrt war; mit der Unaufgeräumtheit, und trocknenden Segelhandbüchern auf dem kleinen Brückendach herrschte fast „Zustand“. Eine „open bridge“ hieß eben auch offene Karten.

Lickfett entschuldigte eher, dass die Masten noch etwas verquer oder uneins stünden, was dem ungeübt peilenden Auge angesichts himmelwärts konvergierender Pardunen und Stage aber nicht besonders auffiel. Auffallender war, dass noch während der Reise Takler an Bord kamen, ihren Laptop, damals noch eine Besonderheit, auf einen Poller platzierten, und nach prüfenden Blicken in die Takelage flugs noch fehlendes eintippten. Auch der Chief musste noch lernen, dass das Ruder beim Segeln eine andere Lage einnahm als unter Maschine, die er im engen Fahrwasser des Kanals nicht einfach mal probeweise anwerfen konnte, ohne einen markanten Kurswechsel zu riskieren. Doch als der Fotograf des berühmten Beken of Cowes vor der Isle of Wight aufkreuzt, um den „Star Clipper“ im großen Format festzuhalten und damit in die lange Reihe der Segler aufzunehmen, scheint die Welt der Tradition noch ungebrochen. Als er in die Biskaya einläuft, hat „Star Clipper“ erste Berührung mit der See gehabt, die sich ein Stück des Namensbrettes an Steuerbord geholt hat.

Nach einer unruhigen Nacht, zum Frühstück im Salon, zählt der Kapitän mit dem Zeigefinger die von der Seekrankheit verschonten spärlich anwesenden Häupter, das bedarf keiner Worte. Es ist seine Art, die Gäste kennenzulernen, das interne Revier in den Salons, in dem „das Besteck“ seine landläufige Bedeutung bekommt. Morgendlich mustert er seine Passagiere, um herauszufinden, welche Manöver sie und der Koch ihm erlauben, ob gefüllte pools und Kochtöpfe auf ebenem Kiel, oder mit „Lage“.
Frühaufsteher, die ihnen bereits in der 4-8 Wache auf der open bridge in den Nacken starren, sind später möglicherweise eine besondere Art des Morgengrauens für manche Offiziere, die nicht so gewohnt sind, dass ihnen über die Schulter gesehen wird.

Dann geht es in die Zodiaks, zu einem ersten, dann traditionellen Fototermin, einer aufregenden Umrundung, aus deren Perspektive der „Star Clipper“ optisch tief in die Dünung taucht.

Der Fototermin bei der Umrundung des „Star Clipper“ im Zodiak wird in der Biskayadünung zum besonderen Erlebnis

Dieses Vertrauen, dass seine Gäste schon zurechtkommen werden, ist ehrenvoller als jede Äquatortaufe, und nicht jeder Kapitän später riskierte und gewährte soviel an Aktivitäten. Als wir schließlich in den Tejo einlaufen, ist dem Kapitän eine Anspannung anzusehen. Doch diese Reise verläuft gut und glücklich, wie alle anderen auch.

Kapitän Lickfett wartet im Tejo auf den Lotsen

Jahre später, 1999 sehen wir uns wieder, Richtung Goa. Permanent wird am Schiff gearbeitet und verbessert. An Bord ist der Reeder Mikael Krafft, mit dem die fraglichen Einrichtungen erläutert werden, bevor er das Schiff in Rhodos wieder verläßt. Das theatralisch inszenierte Abschiedswinken Lickfetts (welcher Seemann hält sonst dafür große weiße Servietten bereit?) nach dem Besuch läßt erkennen, wie der Kapitän in vielen Dingen seinen Status („Master next god“) und eine eigene fachliche Meinung zu behaupten versucht. Er verrät verschmitzt, dass kontroverse Diskussionen mit Krafft im ehrfurchtheischenden Niveau der zweiten Saling der turmhohen Masten schneller zu „seinem“ Ergebnis führten. Doch offensichtlich bleibt weiterhin das Manövrieren zwischen dem Betrieb eines Segelschiffes und den Erwartungen der kommerziellen Kreuzschifffahrt in einem schwierigen und problematischen Fahrwasser.

In den langen Seetagen ohne Häfen öffnet sich der östliche Horizont zur open sea, ihrer Geschichte und ihren Sagen. Zeit, das Garn zum Schalk zu spinnen, angespornt von den eifrigen sidekicks des blonden Kreuzfahrtdirektors.

Captains story time, von „Sindbad bis Stabilität“

Unter Segeln wirft der Kapitän zur Markierung einen leeren Karton über Bord , und zelebriert eine Wende, bei der die bezahlte Crew an den Brassen und Schoten seiner Begeisterung mit gewissem Abstand folgt. Er demonstriert „the way of a ship“; das ist aber nicht der Abgesang eines Alan Villiers, sondern der Nachweis, dass er sein Handwerk versteht und wie ein tall ship zu handeln ist.

Auch für die Muße ist Lickfett vorbereitet. Er zeigt uns die Liegematten, deren Kopfteil umgeschlagen und verschweißt ist. So läßt sich durch mehrere Matten ein Tampen durchstecken und in einer Bucht zu einem großen Pool längsseits aufreihen, zum Vergnügen der Passagiere, die mitten im Indischen Ozean ein Bad nehmen können, ohne achteraus zu bleiben.

Plötzlich liegt ein arabischer Fischer längsseits, mit dem der Koch frischen Fisch gegen Obst und Gemüse tauscht. Weiter ostwärts ist ein Einhandsegler unterwegs nach Australien, Lickfett fährt ihm ein großzügiges Lee und hilft mit einer Tonne Diesel aus – „ist ja nicht mein Geld.“ Immer begeistert und offen für das Geschehen auf See erzählt er, wie er in Thailand neue Inseln entdeckt hat und auch nach Postkarten navigierte.

Bei diesem crossing lernen wir Klaus Müller kennen, einen ehemaligen Handelsschiffskapitän, nun Kollege von Gerhard Lickfett, hier als Gast. Er kennt den Alltag auf See. In einem Treffen an der Brücke gedenkt er des Sonntags, der See als Ort der Besinnung und Versammlung schweifender Gedanken. Peace ist dort, wo man ihn findet. Später wird er einen Dudelsack der schottischen Highlands, seiner Wahlheimat, auf die hohe See transferieren und, unvergesslich, im Spiel die Erinnerungen und Gefühle jedes Einzelnen wachrufen. So geben diese Kapitäne dem Leben an Bord ihre eigene Deutung, ihre Gedanken und Erfahrungen als Essenz über den Tag hinaus.

Als wir uns in Goa von Gerhard verabschieden, und er uns seine Post anvertrauen will, zeigt er uns in seiner Kabine die Pläne des neuen, gerade im Bau befindlichen „Royal Clipper“ und entwickelt seine Vorstellungen, wie die Masten samt Rahen aufgerichtet werden sollen.

Dass er stets mit Kopf, Herz und Hand bei der Sache war und immer noch gut zugreifen konnte, wird später erneut klar, als er sich mit der Technik des Stabhochsprungs befasst. Komplexer hat wohl nie ein Seemann mit Spieren jongliert. So bleibt er uns unvergesslich, unerschrocken und draufgängerisch gewitzt.

Wie Gerhard Lickfett sich weiter mit den langgehegten Plänen auseinandersetzt, Frachtschiffe erneut zu besegeln, muss jedoch von den Freunden berichtet werden, die ihn noch lange Zeit in Hamburg erleben durften.

Jobst Broelmann, August 2017, München

Tango mit Gerhard

Er brachte immer etwas mit: Süßigkeiten, Geschenke, Geschichten…
Unsere Tangostunde, zu der er immer wenige Minuten vor der ausgemachten Uhrzeit kam, begann meist mit dem Ritual: „Ich bin zu spät, das geht doch nicht! Kannst du mir noch mal verzeihen?….“. Dann wurde die Tupperdose mit den Süßigkeiten für die Pause ausgepackt („Du musst doch was essen, wenn du solange unterwegs bist!“) zusammen mit seinen Aufzeichnungen, die er auf dem Weg im Bus nochmal studiert hatte.
„Ich verstehe gar nicht mehr, was wir letztes Mal aufgeschrieben haben…“. Danach reaktivierten wir zusammen anhand seiner sorgfältigen Notizen die im Körper verlässlich gespeicherten Erinnerungen und tauchten weiter in die Tiefen des argentinischen Tangos ein.

Als er in meine Tangokurse kam, wusste ich bereits, dass er früher Kapitän war und nun als Stabhochspringer zu Seniorenweltmeisterschaften in der ganzen Welt fuhr. Von Zweiterem erzählte er gern und es machte ihm Spaß aufzufallen und bewundert zu werden. Er wirkte dabei jedoch nie überheblich, sondern sehr bescheiden und man konnte sich wunderbar mit ihm zusammen über seine Erlebnisse und Erfolge freuen.

Im Unterricht war er immer eifriger, wissbegieriger Schüler und wie in alle seine anderen Projekte stürzte er sich auch hier leidenschaftlich mit absoluter Hingabe ins Tangolernen. Vorbehaltlos und vertrauensvoll lies er sich in diese ihm noch unbekannte Welt führen.
Eigene Grenzen konnte er schlecht akzeptieren und mutete seinem Körper beim sportlichen Training einige Blessuren zu. Aber auch wenn die Füße schmerzten, kam er zum Tangotanzen und hinkte lieber, als eine Stunde zu versäumen.
Schon gleich zu Anfang sah ich sein großes Engagement und sorgte dafür, dass er immer etwas fortgeschrittenere Partnerinnen hatte.
Durch seine sportliche Aktivität war er trotz seines Alters („ich gehe doch schon auf die Achtzig zu…“) erstaunlich flexibel und wendig in seinen Bewegungen. Unermüdlich übte er das geschmeidige Gehen, auch wenn es manchmal etwas länger brauchte, bis die Muskulatur aufgewärmt war.
Besonders aber liebte er die schwungvollen Achsdrehungen und konnte sich entzücken wie ein Kind, wenn eine komplizierte Drehung gelungen war, der 10. Versuch endlich Erfolg brachte.
Mit einer guten Tänzerin konnte er sich sehr kreativ in seinem Tanz ausdrücken.

Gerhard war ungewöhnlich kontaktfreudig und nahbar.
Smalltalk habe ich mit ihm zusammen nie erlebt, er öffnete sein großes Herz recht schnell und vertrauensvoll und verwickelte auch Fremde sofort in private Gespräche. Zum Beispiel im Bus auf dem Weg zur Tangostunde, anschließend konnte er lange Geschichten darüber erzählen.

2015; Gerhard beim Tangolernen

Argentinischer Tango ist sehr anspruchsvoll, nicht nur durch die komplexen Bewegungsmöglichkeiten: man kommt sich dabei sehr nahe, sowohl beim Lernen als auch beim Tanzen selbst. Durch die intensiven Begegnungen entstehen neben all den schönen Gefühlen auch schnell Überforderungsgefühle, Berührungsängste, Verletzlichkeiten und Erwartungen, die auch schon mal in Zumutung mutieren können.
Ich habe nie erlebt, dass Gerhard in solchen Situationen überfordert oder brüskierend reagiert hätte. Er wusste um die Verletzlichkeit der Seele und fand immer einen sachten Weg aus unangenehmen Situationen. Andere in ihren Erwartungen zu enttäuschen fiel ihm sehr schwer, so konnte es durchaus mal vorkommen, dass er wie ein freundlicher, freiheitsliebender Delfin dann eben auf Tauchstation ging.

Sein unkonventioneller, freier Geist und seine Lebendigkeit haben mich sehr beeindruckt und ich war überzeugt, dass er noch mit neunzig seine Tangofortschritte genießen würde. Der schockierend abrupte Abschied nach seinem Unfall hat mich sehr erschüttert und ein großes Loch in mein Leben gerisssen.

Lieber Gerhard,
aber es tröstet mich, dass du bis zum Schluss deine Träume gelebt und das verwirklicht hast, was wir Tangotänzer immer üben: der Melodie des Lebens zu lauschen und sich jedem Moment zu hundert Prozent hinzugeben.
Danke so sehr für die gemeinsame Zeit!

2014 – auf der Undine

Ja, es war der richtige Ort, während des Hamburger Hafengeburtstages 2014 auf der UNDINE am Liegeplatz im Museumshafen Oevelgönne den Laderaum zum „Weltstadtkino“ auszugestalten und die deutsche Premiere des Films „READY ABOUT-the return of the windjammers“ durchzuführen.

Der Film kann als Langfassung des ARTE-Films „Klar zur Wende“ angesehen werden, welcher in französischer Fassung hier zu sehen ist:

Der Firma FILMTRÜFFEL ist es gelungen, ein  Kaleidoskop von Fachleuten aller Disziplinen in einem Guss zu einem Appell für die Zukunft der Frachtsegelschifffahrt zusammenzuschließen:
Die Kapitäne G. Lickfett und H. B. Schwarz (auf Gorch Fock, Sea Cloud und weiteren Großseglern), Undine Kapitän T. Hass (Gorch Fock). Die Kapitäne C. Gartner (Maltese Falcon) und A. Lackner (Tres Hombres). Weiter die russischen Kapitäne Mikhail Novikov (Kruzenshtern) und Nikolay Zorchenko ( Sedov) und die Wissenschaftler Dr. V. Matthias (HZG), G. Rosenhagen (damals-DWD), die Chemikerin Lisa Kattner (damals-BSH). Dann auch den Schiffsdesigner Gerard Dykstra mit seinen Fachleuten Thys Nickels (jetziger Geschäftsführer) und Daan Sparreboom (Maltese Falcon, ECOLINER) und Diane Gilpin (damals: B9shipping)… und viele mehr….

Der Laderaum wartete mit rund 25 Gästen voller Spannung auf das, was Monika Kovacsics und Stefan Ahrens von FILMTRÜFFEL geschaffen hatten und am Ende gab es starken Applaus.

2014; Gerhard Lickfett und Torben Hass auf der Undine (ganz links, hintere Reihe)

Es war erstaunlich, mit welch starken Worten die Akteure im Film die Gründe für den neuen Weg in der Weltschifffahrt darlegten.
Fazit: Wegen begrenzter Ölvorräte und der Klimabelastung durch Schiffsabgase und notwendiger humanerer Globalisierung, auch in der Schifffahrt, wird sich eine Windkraft nutzende Schifffahrt wieder entwickeln müssen (siehe hierzu auch den Report von oceana.org).

2014; Gerhard Lickfett (2.v.l.) im Gespräch mit Gästen auf der Undine

Es ist allen zu danken, welche zu diesem Filmabend beigetragen haben.
Der Filmabend wurde mit Erbsensuppe in der Kombüse und ausklingendem Gespräch an Deck beendet

2014; an Deck der Undine

Dann ohne Regen, denn es begann alles “pudelnass“ mit völlig überflüssigem Hamburger Schmuddelwetter.
Meine damalige Mailanfrage an Gerhard:  …Hat das Küchenpapier in den Schuhen gegen deine Erkältung geholfen?

FILMTRÜFFEL ist mit uns bemüht, den Film an Hamburgs besonderen Maritimen Stätten aufführen zu lassen. Bisher ist es im Dezember 2016 auf der Stubnitz gelungen – natürlich auch mit Gerhard als Teilnehmer.

2016 – SMM Hamburg

Während der Internationalen Schiffsmesse 2016 in Hamburg hatte die IWSA  (International Windship Association, www.wind-ship.org) einen Messestand in Halle 5 gebucht. Ich konnte mit meinen Messe-Kontakten aus früheren SMM-Zeiten vier “historische“ Schiffsmodelle für diesen Stand ausleihen und habe mit vielen Mails an Windschiff-Freunde auf die Messe aufmerksam gemacht. Und so war dann auch Gerhard an zwei Tagen auf der SMM-2016.

2016; Gerhard Lickfett auf der SMM am Messestand der IWSA

Die beiden Messetage waren Genuss pur, denn es fing gleich an mit einer vollkommen unerwarteten Begrüßung von Jacky Gut. Jacky und Gerhard kannten sich schon lange von der ALEX-I und das unerwartete Wiedersehen war ein Bonbon des Lebens.
Das folgende Foto zeigt sie zwischen Gerhard und Siegfried Manzel, dem deutschen Verbandsvertreter der IWSA.

2016; Siegfried Manzel, Jacky Gut, Gerhard Lickfett

Gerhard zeigte allen Messestandbesuchern voller Freude das kleine Modell der SY Maltese Falcon (1:1250, Hydra Schiffsminiatur):

2016; Gerhard Lickfett mit der Maltese Falcon (1:1250, Hydra Schiffsmodell)

Mit hellwachen Augen verfolgte er Vorträge zu Schiff und Klima und sprach mit den Fachleuten “unseres Themas“ über Fehler von früher und Schritte in die Zukunft der Weltschifffahrt. Das Modell der „SY Maltese Falcon“ mit ihrem „FALCONRIG“ auf Basis des DYNARIGG ´s von Wilhelm Prölss war dabei ein gutes Aushängeschild.

Die SMM-2016 und der Messestand der IWSA waren eine optimale Gelegenheit für Gerhard,  alte und neue Bekannte aus der Windschiffsszene zu treffen, von  (vormals)-GAUSS, über Hunte-Engineering, ganz privaten Freunden aus der großen Schar der Kreuzfahrtseglerpassagiere bis hin zu den Wissenschaftlern aus Finnland oder Japan.
Hier ist Gerhard mit Prof. Kazuyuki Ouchi neben dessen Modell mit abgewandelten Dynarig zu sehen.

2016; Prof. Kazuyuki Ouchi, Gerhard Lickfett

Hier ist die Aufmerksamkeit Gerhards bei Gavin Allwright, dem Sekretär der IWSA, prägend für den Moment:

2016; Gavin Allwright, Gerhard Lickfett

Aber noch tiefsinniger ist doch ein Dialog mit den Frauen!
Hier mit Wipke Iwersen, die ganz spezielle Windschiffe baut – Boote mit ozeantauglichen Gegenwindantrieben: unbemannte Forschungsschiffe auf hoher See, die unbekannte Finder einladen zu forschen… siehe www.windvinder.com

2016; Wipke Iwersen, Gerhard Lickfett

2014 – Harlingen

HARLINGEN 4.7.2014, da mussten wir hin, denn dort fand die “SAIL Midterm Conference“ eines EU-SAIL-Projektes zu “unserem Thema“ statt!

An einem herrlichen sonnigen Tag trafen sich maritime Fachleute, Politiker und Enthusiasten zum Austausch über die Frage einer zukünftigen abgasarmen Schifffahrt. Der Hafen war an allen Liegeplätzen mit Schiffen des Tall Ship Races 2014  belegt und bot ein motivierendes Bild.

2014; Harlingen Hafen

Die morgendlichen Vorträge wurden in einer historischen Lagerhalle angeboten.

2014; Gerhard Lickfett und Andreas Lackner

Hier seht Ihr Gerhard an der Seite von Andreas Lackner, eines der drei Kapitäne und Gründer des ersten neuzeitlich in Fahrt gebrachten reinen Frachtsegelschiffes, der TRES HOMBRES:  eine Brigantine, Baujahr 1943.

Tres Hombres

2014; v.l.n.r: Gerhard Lickfett, Madadh MacLaine, Dr. Lucy Gilliam, Heinz Otto

Hier ist Gerhard in seinem Element, zumal beide jungen Frauen es mit ihm -marinetechnisch gemeint-  aufnehmen können: Madadh MacLaine von www.fairwindstradingcompany.org und Dr. Lucy Gilliam von www.fairtransport.nl

Am Nachmittag wurden nach weiteren speziellen Vorträgen zum EU-Sail-Projektergebnis, dem www.ecoliners.eu ernsthaft diskutiert und gestritten. Ein passender Raum an Bord der STAD AMSTERDAM (www.stadamsterdam.com) stand zur Verfügung.

2014; Thys Nikkels und Gerhard Lickfett

Gerhard im Gespräch mit Thys Nikkels, dem Chef von www.dykstra-na.nl

Nach der Diskussion im “Long Room“ der STAD AMSTERDAM wurde an Deck noch gefachsimpelt, bevor sich diese denkwürdige Versammlung wieder auflöste und alle beseelt nach Hause fuhren.

2014; Gerhard Lickfett, re hinter ihm Jan Lundberg, re neben ihm der Hafenkapitän von Harlingen

Hier zum Schluss noch der Link zum Tagesprotokoll vom 4.7.2014:
www.nsrsail.eu/wp-content/uploads/2014/09/SAIL-conference-Harlingen-2014-07-04.pdf

Kommt jetzt die Energiewende auf See? Wie werden die IMO (International Maritime Organisation) und die ICS ( International Chamber of Shipping ) mit dieser Zukunftsaufgabe umgehen?

2012 – Ready About

Die folgenden Fotos entstanden am 29.2.2012 bei einem Dreh auf der Rickmer Rickmers im Hamburger Hafen zum Film „Ready About – Die Rückkehr der Windjammer“ (75 Min.) über zukünftige Frachtsegelschifffahrt.

Idee und Drehbuch sind von der Firma Filmtrüffel GmbH in Köln entwickelt worden, die von Monika Kovacsics und Stefan Arens betrieben wird.

Der Film beschreibt eine weitere notwendige Energiewende: nach der an Land, nun die auf hoher See.
Wissenschaftler aus verschiedenen Disziplinen (Wetter-Klima-Gesundheit) sagen uns voraus, dass die Schifffahrt mittels Schwerölantrieb sich wird wandeln müssen. Es bleibe dann nur die Kraft des Windes, um Seehandel von Küste zu Küste betreiben zu können.
In den 1960-iger Jahren entwickelte Wilhelm Prölss sein DYNARIGG für den Antrieb von mittelgroßen Massengutschiffen. Es wurde von Medien, Politik und Reedern ignoriert. Erst ein US-Finanztycoon ließ sich seine Superyacht „Maltese Falcon“ (2006 ) mit diesem Rigg bauen. Das damalige  Yachtdesigner-Büro aus den Niederlanden – DYKSTRA- hat diese Erfahrungen genutzt und nun einen modernen Frachtsegler (Arbeitsname „Ecoliner“) entwickelt – zusammen mit den jungen Kapitänen der TRES HOMBRES. Das vollautomatische Segelsystem ist auf Knopfdruck jeder Windsituation anzupassen, weil jedes Rahsegel einzeln zum Segelsetzen oder Reffen angesteuert werden kann.
Eine langsam wachsende Zahl von Seeleuten ist mit kleinen Frachtsegelschiffen seit einigen Jahren dabei,  eine CO2-freie Transportkette über die Ozeane zu betreiben.
Modernste Wetterdienste und Routenberatung lassen erwarten, jeden Warentransport zwischen den Küsten in kalkulierbaren Zeiten organisiert zu bekommen.

Eine ausführliche Filmbeschreibung findet sich hier auf deren WebSite: http://www.filmtrueffel.de/de/ready-about.php

Gerhard war einer der Protagonisten und hatte sich mit seinem Sachverstand freudig und mit Hoffnung zu Aussagen in diesem Film bereit erklärt.

2012; Filmtrüffel Team mit Gerhard Lickfett
2012; Monika Kovacsics von Filmtrüffel mit Gerhard Lickfett

Es war schon bewegend, diese Aufnahmeszenen mit Gerhard erleben zu dürfen.

Möge dieser Film mit seiner Stimme neben denen weiterer Kapitäne und Wissenschaftler die nötige neue maritime Handlungsweise auf den Weg bringen. Der Eigner des ersten modernen Frachtseglers wird in die Seefahrtsgeschichte eingehen!

Hier ein 4-minütiger Ausschnitt des Films:

Der 75-minütige Gesamtfilm kann bei der Filmtrüffel GmbH erworben werden.

Moderner Segelschiffskapitän

(…) Es gibt gute Schiffe, und es gibt schlechte Schiffe. Es gibt gute Kapitäne, und es gibt weniger gute Kapitäne. Eines aber gibt es nur selten: schlechte Kapitäne. Dafür wird in dieser Laufbahn viel zu oft, viel zu hart, viel zu fein gesiebt, ehe das Große Patent, auch wenn es gemäß Gesetz nach Absolvierung von Seefahrtzeit und Steuermanns-Examen auf dem Papier erworben wird, praktische Anwendung findet: Der Kapitän ist nicht nur der erste Nautiker eines Schiffes, nicht nur das, was man an Land einen Direktor heißt, er ist mehr in seiner Pflicht und seiner Verantwortung für das Schiff, dessen Ladung und das Leben an Bord, er ist das, was wohl die Briten am treffendsten nachempfinden lassen, wenn sie sagen, er ist ein MASTER NEXT TO GOD. (…)“ (Jochen Brennecke: Windjammer, Herford 1968)

Wer heute die Laufbahn des Kapitäns „auf großer Fahrt“ einschlägt, muss zunächst Wirtschaftsingenieur für Seeverkehr sein. Ein Kapitän ist auch heute noch immer das, was früher „Direktor“ genannt wurde: er ist Geschäftsführer eines schwimmenden Industriebetriebes. Mal werden „nur“ Container verwaltet – im Falle von z.B. Tankschiffen und Projektladungen stellt der Kapitän aber auch heute noch das Wertpapier (Konnossement/ Bill of Lading) über die an Bord befindlichen Güter aus, das dann an der Börse gehandelt wird. Er nimmt auch heute z.T. erheblichen Einfluss auf Frachtraten und wirtschaftlichen Erfolg des Schiffes.

„Fracht“ kann man dabei übrigens weder laden noch transportieren: „Fracht“ ist das Entgelt, das für den Transport von Gütern (die nennt der Seemann „Ladung“) bezahlt wird – „Fracht“ ist also in etwa synonym zu „Miete“.

Das ist Basiswissen eines Kapitäns. Es veranschaulicht sehr schön, wie häufig man an Land glaubt, vermeintliche Fakten aus der Seefahrt zu kennen – und wie häufig man auch daneben liegt. Welches Recht gilt auf einem Schiff unter Liberia-Flagge mit deutschem Kapitän, ukrainischem Leiter der Maschinenanlage, peruanischen Offizieren und Filipino-Besatzung, das Güter von Brasilien nach Australien transportiert?

Zu diesen formaljuristischen Kenntnissen des internationalen Handels kommt der Faktor „Seefahrt“: Den Naturgewalten ausgeliefert und auf sich allein gestellt (der nächste Arzt kann Tage, ja Wochen entfernt sein), muss eine Hierarchie existieren, die auf Autorität fußt. Die vom Gesetzgeber – welcher in der Welt im Einzelfall auch immer zuständig sein mag – gegebene formale Autorität kommt dabei in allen wichtigen Momenten schnell an ihre Grenzen. Im Angesicht tödlicher Gefahr wäre das Argument „…weil das im §121 des Seearbeitsgesetzes steht“ jedenfalls wenig wirksam. Die natürliche und informelle Autorität ist diejenige, die an Bord eines Seeschiffes zählt.

Wenn die „Ladung“ dann noch aus Menschen besteht – wie auf Passagierschiffen – gilt es als Kapitän, sich auch in Sachen „Ladungsfürsorge“ mit einer gehörigen Portion informeller Autorität den Passagieren zu widmen. Schließlich sollen die sich rundherum wohl und behütet an Bord fühlen und dabei auch tatsächlich sicher transportiert werden.

Wer über Jahrzehnte hinweg Seeschiffe als Kapitän führt, der weist das Wissen und Können eines Offshore-Expeditionsleiters, eines Geschäftsführers eines schwimmenden Industriebetriebes, eines Sanitäters in der dritten Welt, eines Seelsorgers und international tätigen Handelsvertreters nach. Ach ja: und seemännische und nautische Grundkenntnisse natürlich.

Windjammer nehmen dabei eine Sonderrolle ein: sie sind aus verschiedenen Gründen ungleich anspruchsvoller zu führen. Durch ihr Antriebskonzept ist die richtige Einschätzung der Wind- und Wetterverhältnisse von existentieller Bedeutung. Hinzu kommt, dass die Nutzung der häufig historischen Technik der Takelage zwei „moderne“ Aspekte mit sich bringt, die sich auf den ersten Blick nicht zeigen: 1. Know-How. 2. Modernes Sicherheits-Empfinden.

Welcher moderne Seemann beherrscht noch einen Hakenschlag oder kann überhaupt eine Arbeits-Talje richtig einsetzen? Hier muss heute der Kapitän eines Großseglers die Ausbildungshöhe seiner Besatzung in klassischer Seemannschaft deutlich detaillierter mit ins Kalkül ziehen, als das noch vor 80 Jahren der Fall war. Gerade im Umgang mit alter Technik ist zudem das Unfallrisiko deutlich erhöht. Vor 80 Jahren hat keiner einen Helm auf dem Fahrrad getragen und der Sand auf dem Spielplatz trug auch kein „zum Spielen geeignet“ Zertifikat. Ähnlich war das in der Seefahrt. Hier hat man sich auf gute Seemannschaft verlassen und – gerade auf den großen Handelsseglern – auch den Verlust von Menschenleben in Kauf genommen. Das kann und will sich heute kein Reeder eines Segelschiffes mehr leisten. Mit drastischen Folgen für das Handeln des Kapitäns, das umso vorausschauender und bedachter ausfallen muss.

Gerhard hat alle namenhaften Windjammer als Kapitän geführt. Er war bei seinen Passagieren sehr beliebt und nicht wenige sind immer wieder an Bord zurück gekommen, wenn er nur als Kapitän ebenfalls an Bord war.
Seine Besatzungen haben ihn sehr geachtet und auch bei seinen Kollegen war der Respekt hoch und von Herzen ehrlich.

Vordergründig hat er seine Sache gut gemacht. Er war ein guter Kapitän. Hintergründig wirkt sein Handeln aber noch viel weiter:
Er hat die Persönlichkeit und das Wissen der alten Segelschiffs-Männer erfahren, erlernt und angenommen. Dann hat er diesen Schatz aber nicht konserviert, sondern sinnvoll und weitsichtig mit den Anforderungen an den heutigen Kapitän kombiniert. Dabei hat er stets ein gutes Beispiel an sich selbst gegeben, hat sich selbst immer noch härter gefordert, als seine Besatzung.

Herausgekommen ist der Prototyp des modernen Segelschiffs-Kapitäns, der er zweifelsohne war. Er ist Retter der alten Segelschiffs-Werte, ja. Aber zugleich ist er der Konstrukteur eines modernen Typus Kapitän. Ein Typus Kapitän, der mit Herz und Verstand traditionelle Seemannschaft sinnvoll mit digitaler Schiffsführung verbindet. Ein Vorbild für jeden Nautiker.

Journalisten und Traditionalisten bezeichnen ihn gerne als einen der letzten Großen seiner aussterbenden Zunft. Ich sehe ihn aber eher als den ersten Großen der neuen Generation seiner wachsenden Zunft. Kein romantisch-verklärtes „Früher“, sondern ein klares, leuchtendes „Morgen“. Denn sein Handeln strahlt weit in die Zukunft und es gibt gerade modernen Kapitänen Orientierung und Halt in der digitalen Welt.

Meine erste Begegnung

Meine erste Begegnung mit Gerhard Lickfett war in Hamburg bei einer Tangostunde im La Yumba. Meine Tangolehrerin Angela– sie hat auch diese wunderbare Webseite ins Leben gerufen – machte uns miteinander bekannt. Seine offene und direkte Art war mir gleich sympathisch und neben den zu erlernenden Tangoschritten, hatten wir sofort Gesprächstoff. Mit seinen zunächst wenigen Worten über seine Karriere und seine erstaunlichen sportlichen Leistungen als Stabhochspringer, machte er mich neugierig. Ich ahnte, dass er die Sprache meines Vaters sprach, auch dieser war Kapitän wie er und er gehörte zu den wenigen letzten Kap Hoornier`s auf der Pamir in Hamburg (Kap Hoornier: ein Seemann, der auf einem Frachtsegler, der nicht mit einem Motor oder Hilfsmotor ausgerüstet ist, den Kap Hoorn umrundet /Quelle: Wikipedia).

Die Begegnungen mit Gerhard waren aus heutiger Sicht viel zu wenige, denn wie gerne hätte ich noch seinen Berichten über seine Seefahrten, seine Kritik an den derzeitigen Reedereien, seine Sorge um die Gesundheit der Meere und seinen klaren Blick auf die Menschen gelauscht. Er hat mir für eine kurze Zeit durch seine Art und Gespräche ein familiäres, fast väterliches Gefühl vermittelt, für das ich ihm sehr dankbar bin.

Da wir auch den gleichen Weg nach der Tangostunde hatten, wählten mein Mann und ich zusammen mit ihm den Weg mit der U-3 und setzen so oft unsere angeregte Unterhaltung fort. Ich hatte gleich bei der ersten Nachhausefahrt mein Fahrrad mit und nebenbei erwähnte ich, dass die Klingel defekte sei. So staunte ich, als Gerhard hilfsbereit ohne zu zögern sie sofort reparierte.

Seine Wortwahl ohne Umschweife und die Ehrlichkeit über sich selbst –durch meinen Vater war mir diese seine Art vertraut – ist wahrscheinlich, so vermute ich, von der Seefahrt mitgeprägt worden, wo täglich die Natur und die eigene Endlichkeit zu spüren und Menschlichkeit durch den begrenzten Raum überlebenswichtig ist. Vor allem aber: durch seine vielen Reisen, die vielen Begegnungen mit Menschen aus aller Welt, mit seiner Sicht auf die Dinge, Heimat, und Häfen, hatte er jeden, mit dem er sprach, sofort in seinen Bann gezogen. Ein Zitat von Goethe, mit dem ich abschließen möchte, drückt vielleicht ein bisschen seine Lebensbejahung aus: „Ihr glücklichen Augen, was je ihr gesehen, es sei wie es wolle, es war doch so schön.“

Danke Gerhard!